Der Hahnenkamm im Landkreis Weßenburg-Gunzenhausen ist Teil des Jura-Höhenzuges, rund 60 Windräder stehen hier schon. Es herrschen beste Windbedingungen, der Höhenzug gehört zu den Prime-Lagen für Windenergie in Bayern.
Seit die Bundesregierung den Ausbau der Windkraft beschlossen hat, müssen Kommunen Flächen zur Verfügung stellen. 1,8 Prozent der Fläche fordert das neue Gesetz. Doch während Vertreter der Kommunalpolitik mit den Behörden hinter den Kulissen um eine Vorauswahl geeigneter Standorte ringen, ist in einer der Hahnenkamm-Gemeinde offener Streit ausgebrochen – einer Gruppe von Bürgerinnen und Bürgern geht das alles nicht weit genug. Sie fordern zu den geplanten vier bis fünf Windrädern auf dem Höhenzug ein weiteres Windrad im Gemeindewald von Markt Berolzheim.
Gemeinsamer Windpark mehrerer Kommunen
Markt Berolzheim liegt am Fuß des Hahnenkamm. 1.300 Einwohner führen hier ein gutes Leben in einer Landschaft, die andere zur Erholung aufsuchen. Dass ein Windpark kommt, ist beschlossene Sache: Bürgermeister Fritz Hörner (Grüne) will gemeinsam mit anderen Gemeinden einen Windpark realisieren. Und zwar oben, auf der Hochebene des Hahnenkamms. Mit nur einer Gegenstimme hat der Marktgemeinderat die Pläne abgesegnet.
Sieben Gemeinden beteiligen sich, unter anderem Dittenheim, Gnotzheim und Heidenheim. Vier bis fünf Windräder sind vorgesehen. Der Einigungsprozess sei langwierig gewesen, doch noch im September soll die Kooperation unterschriftsreif sein, so Hörner. “So konzentrieren wir die Windkraft auf einer geeigneten Fläche”, sagt Hörner, “und haben damit die Ziele der Bundesregierung erreicht”. Die Kooperation mit den anderen Kommunen ist Hörner ein Herzensanliegen. “Aus dieser Allianz können noch weitere gemeinsame Projekte entstehen.”
Windkraft als “Goldader der Zukunft”
Eine Gruppe von Bürgerinnen und Bürgern will allerdings mit der Windkraft auch Geld verdienen, sie verspricht sich gute Geschäfte mit der Windkraft. “Man kann das eine tun und das andere nicht lassen”, sagt Michael Führich, pensionierter Forstbeamter, Vorstand des Vereins “Erneuerbare Energien Markt Berolzheim”. “Der Fortschritt liegt da oben in unserer Goldader”, ergänzt Friedrich Burmann, ein Mann mit roter Brille und grauen Locken, von Beruf Steuerberater. “Der Wind stellt keine Rechnung.”
Mit 13.000 Megawattstunden professional Jahr an Ertrag könne man laut Energieatlas Bayern mit einem Windrad rechnen, sagt Michael Führich. Das Internetportal der Bayerischen Staatsregierung enthält detaillierte Informationen und Karten zur Energiewende. Eine Million Euro könnte durch ein Windrad innerhalb von 20 Jahren für die Gemeinde Markt Berolzheim herausspringen, schätzen die beiden.
Initiative will ein weiteres Bürgerwindrad im Wald
Als Standort schlägt die Initiative einen Bereich im Gemeindewald vor, in der Nähe der Hangkante, auf einem Grundstück der Marktgemeinde. Um den Strom zu verkaufen, strebt der Verein eine Kooperation mit einem Unternehmen in der Nähe an, das ein Umspannwerk errichten will. Nach den Plänen soll eine Genossenschaft gegründet werden, mit Mitgliedern aus Markt Berolzheim und Umgebung, die Beteiligungshöhe ab 500 Euro. “Es soll eine regionale Sache sein”, so Führich.
Für die Idee gibt es zahlreiche Unterstützer. Innerhalb von fünf Tagen habe man 179 Unterschriften für ein Bürgerbegehren gesammelt, sagt Führich. Dieses hat zum Ziel, den Gemeindewald zum Vorranggebiet für Windkraft zu erklären, um dort ein Windrad realisieren zu können. Der Gemeinderat muss nun entscheiden, ob er das Begehren zulässt.
Gegeninitiative: Naturschützer schlagen Alarm
Bei dem Wort “Vorranggebiet” schrillen bei Ursula Waschkuhn-Hofmann die Alarmglocken, denn ein solches besteht aus mindestens drei Windrädern. “Da stellt sich schon die Frage: Bleibt es dann bei einem Windrad?” Sie stört sich auch an dem möglichen Standort, nahe an der Hangkante. “Wenn ich mir vorstelle, es stehen drei Windräder mit 200 Metern Höhe an der Hangkante, könnte der Eindruck entstehen, als würden die auf das Dorf fallen.” Zudem sei der Wald in dem Bereich besonders schützenswert. Ursula Waschkuhn-Hofmann hat deswegen eine Gegeninitiative gegründet. “Schützt unseren Lebensraum Wald” heißt sie. Sie seien grundsätzlich professional Windkraft, aber gegen ein Vorranggebiet.
Den Bürgermeister schmerzt der Streit im Dorf
Bürgermeister Fritz Hörner hat mit einem Vorranggebiet noch ein ganz anderes Downside: Wird ein Bereich zum Vorranggebiet erklärt, kann die Gemeinde nicht mehr selbst darüber entscheiden. Ihn stört vor allem auch die Artwork, wie die Initiative Erneuerbare Energien ihr Bürgerwindrad durchsetzen will. “Ein Bürgerbegehren mache ich doch nur, wenn es gar keine andere Möglichkeit mehr gibt. Weil die Erfahrung zeigt, dass es Verletzungen gibt und einen Ort spaltet.”
Die Initiative dagegen erklärt, sie habe auch auf Nachfrage keine Informationen über die kommunalen Planungen bekommen. Bürgermeister Hörner weist diesen Vorwurf zurück. Ein Mitglied der Initiative sei bis vor Kurzem Mitglied des Gemeinderates gewesen und damit über alle wesentlichen Dinge informiert gewesen.
Keine Informationen aus dem Planungsverband
Welche Flächen in Westmittelfranken für die Windkraft ausgewiesen werden, entscheidet der Regionale Planungsverband. Die Landräte von Ansbach und Weißenburg-Gunzenhausen sind in diesem Gremium vertreten, die Bürgermeisterinnen der Städte und einiger Gemeinden. Ihre Aufgabe ist es, die 1,8 Prozent der Fläche Westmittelfrankens zu identifizieren, die die Bundesregierung für Windräder fordert.
Wird dieses Ziel nicht erreicht, droht die sogenannte Privilegierung. Das bedeutet, die Planungshoheit der Kommunen wird ausgehebelt. Damit könnten auch andere Investoren leichter zum Zug kommen. Doch hier wollen alle das Geld mit der Windkraft lieber selbst verdienen. “Wenn wir Akzeptanz für die Windkraft wollen, müssen wir Bürgerwindanlagen bauen”, findet Bürgermeister Hörner.
Neue Karte mit möglichen Standorten in Arbeit
Eine bestehende Karte mit möglichen Standorten wird derzeit überarbeitet. Wasserwirtschaft, Naturschutzbehörden, Denkmalschutz und Militär dürfen zu den Vorschlägen Stellung nehmen. Weil dieser Prozess dauert, wird erst im Frühjahr 2024 mit einer Veröffentlichung der Pläne gerechnet. Bis dahin muss sich die Öffentlichkeit gedulden. Doch Markt Berolzheims Bürgermeister Fritz Hörner erklärt, dass auch danach noch genügend Zeit bleibt für Einwände und Vorschläge der Bevölkerung.