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VonClaudia Kabel
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Lesungen, Konzerte und Ausstellungen können weiter stattfinden. Möglich wird das durch eine neue Managementstelle. Doch das Gotteshaus soll sich noch mehr öffnen.
Eine Kirche ohne feste Gebetsbänke und mit mobilem Altar, in der man sich mittags zum Kaffeetrinken trifft oder mit dem Laptop computer arbeitet und abends zum Konzert geht: Pfarrer Karsten Gollnow könnte sich für die Darmstädter Stadtkirche einiges vorstellen. Rückendeckung bekommt er dafür vom Evangelischen Dekanat Darmstadt und vom Kirchenvorstand der Stadtkirche. Zwei Modelle aus einem Architekturwettbewerb mit TU-Studierenden zeigen auf dem Altar, wie ein Umbau aussehen könnte, um die Kirche „weiter zu öffnen“.
Schon jetzt finden in der ältesten Kirche der Darmstädter Innenstadt Konzerte, Jazz-Classes, Ausstellungen, Lesungen, Interviews und Predigtreihen mit Prominenten statt. Die Fortführung dieser Veranstaltungen hatte jedoch auf der Kippe gestanden. Denn das Kirchenparlament der Landessynode hatte beschlossen, die halbe Pfarrstelle mit Schwerpunkt Kulturarbeit zu streichen, um Geld zu sparen. Der Aufschrei battle groß. Eine Publikumsinitiative sammelte Unterschriften, Kulturinstitute, Musiker:innen und Autor:innen schrieben Unterstützerbriefe.
Stadtkirche Darmstadt: Mehr Unterstützung für Kulturarbeit
Nun verkündete die Stadtkirchengemeinde und das Dekanat Darmstadt am Dienstag: Die Kulturarbeit geht weiter. Es sei eine Lösung gefunden. Ab Januar soll eine neue halbe Stelle für Kulturmangement ausgeschrieben werden, kündigte Annette Laakmann, Präses des Dekanats an. Die neue Managementstelle sei einmalig. Auch ihre Finanzierung dürfte ungewöhnlich sein: Getragen wird sie von Stadt, Technischer Universität (TU) und aus Projektmitteln der Gesamtkirche. Laut Laakmann gibt es zwar in einigen der 38 Gemeinden des Dekanats hin und wieder Veranstaltungen, doch nirgends liege der Fokus so auf Kultur wie in der Stadtkirche.
Pfarrer Gollnow, der bisher eine halbe Pfarrstelle und die wegfallende halbe Kulturpfarrstelle innehatte, übernimmt statt dieser die Stelle der in Rente gegangenen Pfarrerin Anita Gimbel-Blänkle. Unterm Strich bekommt Gollnow additionally jetzt Unterstützung bei der Kulturarbeit.
Programm
Die Reside!Jazz-Konzertreihe im Herbst startet am Samstag, 16. September, mit dem Duo „Frau Contra Bass“. Beginn 19.30 Uhr. Am Montag, 18. September, um 19.30 Uhr, spielt das Pablo Held Trio.
Erstmals findet vom 22. September bis 28. November der „Literarische Herbst“ mit einem komplett gemeinsamen Programm von Stadtkirche und Literaturhaus statt. Zum Auftakt präsentiert Schauspieler Christian Wirmer Büchners „Lenz“ in Theaterform in der Stadtkirche. cka
Alle Termine und Tickets: www.stadtkirche-darmstadt.de
Stadtkirche Darmstadt: Mehr Menschen erreichen
Zwar könne man mit Kulturarbeit kein Geld verdienen, sagt der Pfarrer, aber die Kirche erreiche durch die Veranstaltungen Menschen, die nicht in den Gottesdienst kommen würden. „Oft finden auch religiöse Gespräche am Rande von Veranstaltungen statt.“ Außerdem wolle man auch gesellschaftliche Impulse setzen. Zum Beispiel werde kommenden Sonntag die Porzellan-Ausstellung von Joachim Henkel innerhalb des Gottesdienstes eröffnet. Gezeigt wird ein gedeckter Tisch, an dem unterschiedlich hohe Stühle stehen. Die Botschaft bezieht sich laut Gollnow auf die Welternährung: Der Tisch sei zwar gedeckt, aber ihn zu erreichen, ist unterschiedlich schwer. Die Attac-Regionalgruppe Darmstadt werde während des Abendmahls am 1. Oktober im Rahmen der Ausstellung ebenfalls eine Predigt halten. Prinzipiell stehe die Stadtkirche für alle Occasions offen, so Gollnow.
Die Verknüpfung von Kirche und Kultur komme aus der Kirchenmusik, erklärt Ralf Köble, stellvertretender Vorsitzender des Kirchenvorstands. Er ist gleichzeitig Präsident des Darmstädter Landgerichts und Pastime-Krimiautor. In seiner Reihe „Darmstädter Krimilust“ interviewt er in der Stadtkirche regelmäßig interessante Persönlichkeiten, dann lesen Lokalautoren und -autorinnen aus ihren Werken. Der Eintritt komme der Sanierung der Orgel zugute. Einen Widerspruch von Glauben und Kriminalität sieht Köbler nicht: Das passe sehr intestine zusammen, „allein das Alte Testomony ist voll von Mord und Totschlag.“
Stadtkirche Darmstadt: Im Gespräch mit der Stadt
Die Kirche befinde sich derzeit in einem Umstrukturierungsprozess, sagt Dekan Raimund Wirth. „Wir verstehen uns als Organisation für die Gesellschaft, die die Menschen zum Nachdenken bringt und Impulse setzt.“ Der Hauptzweck sei nicht, Leute in die Kirche zu bringen, sondern einen guten Half für die Zivilgesellschaft zu geben.
Für die weitere Öffnung der Stadtkirche, etwa im Rahmen eines innerstädtischen Konzepts, das auch touristisch geprägt sein könnte, sei man mit der Stadt im Gespräch, so Gollnow. Schließlich seien auch die großen Kathedralen früher Orte der Begegnung „mit Volksfestcharakter“ gewesen.