Der Norddeutsche Rundfunk (NDR) hat am Mittwoch bei der Staatsanwaltschaft Berlin Strafanzeige gegen den früheren „Bild-Chefredakteur Julian Reichelt wegen des Verdachts der Abgabe einer falschen eidesstattlichen Versicherung in drei Punkten gestellt. Das bestätigte der Sender auf Anfrage der F.A.Z. Reichelt habe, so der NDR, in einem presserechtlichen Verfahren gegen die Sendung „Reschke Fernsehen“ unter anderem versichert, „keine diversen Affären mit Mitarbeiterinnen unterhalten zu haben oder die Liaison mit einer bestimmten Mitarbeiterin bestritten“. Diese Angaben entsprächen den Recherchen der Redaktion von „Reschke Fernsehen“ zufolge nicht der Wahrheit. Dem widersprechen Julian Reichelt und sein Anwalt, Ben Irle.
Reichelts Anwalt: „Nicht die Place eines unvoreingenommenen Mediums“
Irle sagte auf Anfrage, er könne das Vorliegen einer Strafanzeige des NDR gegen seinen Mandanten nicht bestätigen. Seinem Mandanten und im liege hierzu nichts vor. Es sei bekannt, dass Julian Reichelt gegen den NDR „wegen zahlreicher unwahrer und die Grundsätze zulässiger Verdachtsberichterstattung verletzender Äußerungen des NDR“ in der Sendung „Reschke Fernsehen“ zwei einstweilige Verfügungen erwirkt habe, auf Ausstrahlung einer Gegendarstellung und auf Unterlassung. Der NDR vertrete „hier nicht die Place eines unvoreingenommenen Mediums, sondern die einer bislang unterlegenen Prozesspartei zweier Zivilrechtsstreitigkeiten“.
Der Umstand, dass „sich die eidesstattliche Versicherung des Herrn Reichelt einerseits und die einer oder mehrerer vermeintlich Betroffener anderseits“ widersprächen, so Reichelts Anwalt, lege „nicht den Verdacht nahe, dass Herr Reichelt die Unwahrheit sagt und eine falsche eidesstattliche Versicherung abgegeben hat, sondern vielmehr, dass die offensichtlich abgestimmt agierenden vermeintlich Betroffenen Unwahrheiten behaupten und diese an Eides statt versichert haben“.
NDR: „Den Wert eidesstattlicher Versicherungen schützen“
Der NDR teilte mit, man habe sich zu der Strafanzeige entschieden, „weil es den Wert eidesstattlicher Versicherungen zu schützen gilt und damit auch die freie Berichterstattung, gerade auch im Bereich von Machtmissbrauch und #MeToo Fällen“. Gegen die Gerichtsentscheidung, derzufolge die Sendung „Reschke Fernsehen“ zahlreiche Aussagen über Reichelt unterlassen muss und nicht wiederholen darf, gehe man juristisch vor, eine „weitere Klärung“ werde im Hauptsacheverfahren stattfinden.
Das Landgericht Hamburg habe, sagt demgegenüber Reichelts Anwalt Irle, „trotz umfassenden anwaltlichen Vortrages des NDR und in Kenntnis mehrerer vom NDR vorgelegter eidesstattlicher Versicherungen“ die einstweiligen Verfügungen erlassen, „eben gerade auch weil die vom NDR vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen nicht vermochten, den glaubhaften Darstellungen des Herrn Reichelt in dessen eidesstattlicher Versicherung wirksam entgegenzutreten“. Sein Mandant stehe „uneingeschränkt zu den von ihm erklärten eidesstattlichen Versicherungen, die ausschließlich wahre Angaben enthalten“.
Dass der NDR offenbar Strafanzeige erstattet habe und diesen Umstand medial lanciere (der „Spiegel“ gab zu der Strafanzeige am Donnerstag eine Vorabmeldung heraus), diene „der gezielten Stimmungsmache zur Förderung der eigenen Prozesssituation, die bislang durch Niederlagen geprägt ist“. Dies sei „ein beispielloser Funktionsmissbrauch und weiterer Höhepunkt der insbesondere auch durch den NDR mitbetriebenen Verleumdungskampagne gegen meinen Mandanten“.
Die Anfrage der F.A.Z. bei der Staatsanwaltschaft Berlin ergab, dass die Anzeige dort im Registratursystem nicht erfasst sei. Dies könne auch üblicherweise einige Tage nach Anzeigeerstattung in Anspruch nehmen.